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Loslassen lernen

Der direkte Weg in den Flowzustand

Die zweite Säule des Ikigai, “Loslassen lernen”, ist etwas schwieriger zusammenzufassen als die Nummer eins von letzter Woche, “klein anfangen”. Die wohl treffendste und kompakteste Beschreibung lautet meines Erachtens “die Negierung des Ichs”.

Negierung klingt in diesem Zusammenhang etwas negativ und kann leicht falsch verstanden werden. Hier ist schlicht und ergreifend gemeint, das Bedürfnis nach Anerkennung und die Suche nach Belohnung irgendwelcher Art loszulassen. Eine Arbeit oder einen Vorgang nur um deren selbst Willen zu lieben.

Das kennst du bestimmt: Flow! Dieser wunderbare Zustand, in dem die Zeit vorbeigeht wie im Flug, in dem es sich anfühlt, als würden wir gerade etwas großartiges erschaffen. Wie wenn sich jedes Rädchen im Universum nur für uns, ohne jegliche Mühen und zusätzliches Tun dreht.

Im Flow wird Arbeit zum Selbstzweck. Die eigene Tätigkeit ist so erfüllend, dass du nicht mehr dafür arbeitest, deinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern für persönliche Erfüllung. Dein Gehalt ist vielmehr ein Bonus. Du lässt egoistische Zwecke also komplett los!

Was heißt Loslassen lernen?

Loslassen heißt hier konkret sich von der Bürde des eigenen Ichs zu befreien. Natürlich müssen und sollten wir weiterhin unsere Grundbedürfnisse decken. Aber am zufriedensten werden wir, wenn wir eine Arbeit finden, bei der wir unser Ego fallen lassen und somit alle Nuancen der anfallenden Arbeit genießen und in den gepriesenen Flowzustand kommen können.

Dieses von persönlichen Zielen befreite Tun, dieses selbstlose Schaffen, produziert laut der japanischen Kultur die größten Meisterwerke. Jeder kennt das: wenn man rein zum Selbstzweck etwas macht steckt meist die ganze Begeisterung, Fokus und Überzeugung in einem Projekt. Dementsprechend großartig können auch die Ergebnisse werden.

Wie kann ich also konkret vorgehen, um das Loslassen zu lernen?

Aufgabe ist es also eine Arbeit bzw. Tätigkeit zu finden, in der dies überhaupt grundlegend möglich ist. Das ist vergleichsweise einfach zu kontrollieren. Frag dich einmal selber: Habe ich zumindest einmal am Tag ein kleines Flowerlebnis? Fliegt die Zeit an mir vorbei, auch wenn es nur 20 min sind? Wenn du das mit ja beanworten kannst, dann bist du schon auf dem richtigen Weg.

Ist das der Fall, kannst du bewusst anfangen loszulassen. Deine Flowzustände also zu verlängern, zu intensivieren und deren Eintreten häufiger herbeizuführen. Hierfür ist es wichtig sich in der Arbeit Ziele zu setzen, die herausfordernd, aber nicht überlastend sind. Der Zeitaufwand der einzelnen Aufgaben sollte ordentlich sein, aber nicht über den Horizont einiger Tage reichen. Zuletzt gilt es natürlich auch Ablenkungen wie das Smartphone, E-Mails und Benachrichtigungen während der Arbeit möglichst komplett zu reduzieren. Du wirst sehen, so kannst du die Anzahl und Länge deiner Flowerlebnisse deutlich steigern.



Was ist aber, wenn ich bei meiner jetzigen Arbeit nicht wirklich loslassen kann? 

Niemand kommt an Arbeiten vorbei, bei denen sich jede Minute zieht wie ein alter Kaugummi oder der Lerneffekt und die Herausforderung gegen null gehen. Manchmal müssen eben auch solche Aufgaben erledigt werden. Besteht allerdings dein kompletter Arbeits- oder Studienalltag aus einer grauen und zähen Masse, solltest du genau untersuchen was dahintersteckt. Ist das Ganze ein grundsätzliches Problem oder nur ein temporärer Zustand? Bist du vielleicht einfach stark eingenommen von einer Sache, die dich gerade sehr beschäftigt und dir momentan keine Ruhe lässt? Selbst die fokussiertesten und losgelöstesten Menschen haben manchmal Schwierigkeiten in den Flow zu kommen.

Bist du aber eigentlich in deinem “Normalzustand”, nicht weiter belastet und findest nicht mal gelegentlich intrinsisches Gefallen an deiner Arbeit, dann solltest du darüber nachdenken deine Beschäftigung zumindest teilweise zu ändern. Das muss nicht von heute auf morgen perfekt funktionieren, allerdings wirst du dich deutlich zufriedener fühlen, wenn du im Alltag hin und wieder in den Flow kommst.

Schaffst du es, das Loslassen zu lernen, dann kann ich dir versichern, dass du die zweite Säule deines Ikigai gefunden hast.

Dein Niklas