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Verabredung in Samarra

In Bagdad lebte ein Kaufmann, der seinen Diener auf den Markt schickte, um Vorräte zu kaufen. Nach kurzer Zeit kam der Diener zurück, weiß und zitternd. Er sagte, Herr, gerade eben, als ich auf dem Marktplatz war, wurde ich im Gedränge von einem Mann angerempelt und als ich mich umdrehte, sah ich, dass es der Tod war, der mich angerempelt hatte. Er sah mich an und machte eine bedrohliche Geste;
Nun, leihe mir dein Pferd und ich werde fortreiten aus dieser Stadt und meinem Schicksal entkommen. Ich werde nach Samarra gehen und der Tod wird mich nicht finden.
Der Kaufmann lieh ihm sein Pferd und der Diener bestieg es und schlug seine Sporen in die Flanken, und so schnell das Pferd gallopieren konnte, floh er.
Dann ging der Kaufmann auf den Marktplatz und sah den Tod im Gedränge stehen und er ging zu ihm und sagte: „Warum hast du eine bedrohliche Geste gemacht, als du meinen Diener heute morgen getroffen hast?“
„Das war keine bedrohliche Geste“, sagte er, „es war ein überraschtes Zusammenzucken. Ich war erstaunt ihn auf dem Markt zu sehen, wo ich doch eine Verabredung heute Abend mit ihm habe, in Samarra.“
– John O’Hara.

Eine gute Geschicht, findest du nicht auch? Es handelt sich hierbei um eine arabische Erzählung, die John O’Hara seinem Erstlingsroman „Appoinment in Samarra“ vorangestellt hat. Ich kann dir das Buch sehr empfehlen, ein Klassiker der 1930er. O’Hara ist einer der ganz großen amerikanischen Autoren dieser Zeit.

In seinem Buch schreibt er über den eigentlich sehr erfolgreichen Cadillac Händler „Julian English“, der von der großen Wirtschaftskrise etwas angekratzt ist. An Weihnachten 1930 bricht dieser mit der feinen Obergesellschaft durch einige Maleure und findet sich dann sehr schnell auf einer Abwärtsspirale in Richtung Selbstzerstörung. Vollgespickt mit Reichtum, Unreife, Geld, Macht und Sex, erzählt die Geschichte den Fall eines gesellschaftlich eigentlich erfolgreichen Mannes bis ganz nach unten. Das Ironische dabei ist, dass English die ganze Zeit versucht den Karren wieder auf die richtige Spur zu bringen. Mit jeder Entscheidung, die er trifft um alles zu korrigieren, reitet er sich aber immer weiter in den Abgrund.

Lässt sich etwas aus der Verabredung in Samarra lernen?

Ich will hier keine großen Worte verschwenden. Ich bin weder Buchkritiker, noch mochte ich Dramenanalysen. Tatsächlich hab ich sie gehasst. Die Leiden des jungen Werther waren sicherlich auch nicht größer als meine eigenen, als ich seine Geschichte analysieren musste. Aber jeder kennt doch sicherlich diese Momente. Du triffst eine unkluge Entscheidung, biegst vielleicht einmal falsch ab (obwohl dich dein Bauchgefühl sogar noch in eine andere Richtung leiten wollte) und findest dich auf einmal in einer noch schlechteren Situation wieder. Die eigentliche Korrektur einer Ausgangslage stellt sich als ungünstiger heraus, als der ursprünglich eingeschlagene Weg. Angst kann manchmal genau das gegenteilige Resultat von dem erzeugen, was du eigentlich erreichen wolltest. Was du daraus mitnehmen willst, kannst du selber entscheiden. Vielleicht hilft dir auch eine der Grundhaltungen der Stoiker weiter, die ich in einem anderen Artikel behandle: Amor Fati.

Am Ende treffen wir uns dann wohl doch alle in Samarra, egal wie sehr wir versuchen unserem Schicksal zu entkommen.

Dein Niklas