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Die zwölf Regeln der Stoiker Teil 1

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, bin ich ein Fan des Stoizismus. Diese vor zweitausend Jahren begründete Philosophie ist heute meiner Meinung nach mehr aktuell denn je zuvor. Natürlich wäre es wundervoll, wenn du im Leben einfach stringent auf Ziele zuarbeiten könntest. Wenn du nie von irgendwelchen Ablenkungen verführt werden würdest, wenn du immer wüsstest was du machen musst und wenn du dir immer sicher wärst, was los ist. Aber so funktioniert das Leben nicht. Es ist eine einzige Umleitung, Ablenkung und Problemstellung. Nie geradlinig. Um allen Eventualitäten und dieser Komplexität entgegenzuarbeiten haben die alten Stoiker ein paar einfache Regeln aufgestellt. Sie wussten, dass das Leben kompliziert und energieraubend ist. Aus diesem Grund war es ihnen wichtig, einen Satz von Regeln zu haben, die es ihnen ermöglichen, selbst an schwierigen Tagen ihren eigenen Versprechungen und ihrer Philosophie treu zu bleiben.

Die zwölf Regeln der Stoiker

In dieser zweiteiligen Artikelserie will ich die wichtigsten Regeln auflisten und näher erläutern. Vielleicht kannst du die eine oder andere brauchen und in dein Leben integrieren:

  1. Stoiker erobern den Morgen
  2. Fokussiere dich nur auf das, was du ändern kannst
  3. Schlage dich nicht mit imaginären Problemen herum
  4. Stoiker behandeln Erfolg und Versagen gleich
  5. Schließe jeden Tag nur eine Sache ab
  6. Triff gute Entscheidungen
  7. Frag dich immer: „ist das notwendig“?
  8. Liebe dein Schicksal
  9. Sprich mit den Toten
  10. Sei Streng mit dir selber und tolerant mit anderen
  11. Stoiker gehen den Weg mit Hindernissen
  12. Denk immer daran, dass du jeden Tag stirbst

1. Stoiker erobern den Morgen

Einer der am besten dokumentierten Momente in den Meditationen vom römischen Kaiser Marcus Aurelius ist der Streit, den er zu Beginn von Buch 5 mit sich selbst hat. Es ist eindeutig ein Streit, den er an vielen Morgen mit sich selbst hatte – wie viele von uns: Er weiß, dass er aufstehen muss, will aber unbedingt unter der warmen Decke bleiben.

Marcus musste eigentlich gar nicht aufstehen. Er musste eigentlich nichts tun. Einer seiner Vorgänger, Tiberius, verließ den Thron im Grunde für eine exotische Insel. Marcus adoptierter Urgroßvater Hadrian verbrachte kaum Zeit in Rom. Der Kaiser hatte alle möglichen Vorrechte und trotzdem bestand Marcus darauf, früh aufzustehen und sich an die Arbeit zu machen. Wieso das?

Das liegt daran, dass Marcus wusste, dass ein Sieg am Morgen der Schlüssel zum Sieg des Tages und zum Sieg im Leben war. Den Spruch „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ hat er sicher nicht gehört, aber er war sich bewusst, dass ein gut begonnener Tag schon halb geschafft ist. Aber es stellt sich die Frage: Wie sieht ein gewonnener Morgen eigentlich aus? Was solltest du tun, nachdem du früh aufgestanden bist? Von den Stoikern können wir uns drei Gewohnheiten abschauen, die den Morgen zu einem Erfolg machen: Tagebuch schreiben. Spazieren gehen. Fokussiert arbeiten.

2. Fokussiere dich nur auf das, was du ändern kannst

Die für mich wichtigste Kompetenz im Leben ist es, zu unterscheiden, was wir ändern können und was wir nicht ändern können. Worauf wir Einfluss haben und worauf nicht.

Wie sieht das in der Praxis aus? Sport ist ein gutes Beispiel. Ein Athlet kann nicht kontrollieren, ob das andere Team schummelt oder ob die Schiedsrichter immer die richtigen Entscheidungen treffen. Er kann nicht kontrollieren, ob die Leute in den Medien wissen, wovon sie sprechen, oder ob sie Meinungen propagieren, nur um Aufmerksamkeit zu erregen. Er kann weder Wetter noch Bedingungen kontrollieren. Was bleibt also übrig?

Eines: die eigene Leistung.

Du bestimmst, wie du spielst.

Nicht ob du gewinnst.

Du bestimmst, wie du spielst.

Nicht, ob dich die Leute respektieren.

Du bestimmst, wie du spielst.

Nicht, ob dich die Menge anfeuert.

Du bestimmst, wie du spielst.

3. Schlage dich nicht mit imaginären Problemen herum

Worüber machst du dir gerade Sorgen?

Deine Arbeit?

Deine Familie?

Deine Zukunft?

Auf keinen Fall ist es abwegig sich Sorgen zu machen. Schlechte Dinge können jederzeit und unangekündigt passieren. Ein Autounfall. Ein wirtschaftlicher Abschwung. Eine überraschende Diagnose.

Aber gehen wir mal in der Zeit zurück: einen Monat, ein Jahr, fünf Jahre. Worüber hast du dir damals Sorgen gemacht? Vermutlich waren es die gleichen Dinge wie heute, oder? Wie viele dieser Sorgen haben sich tatsächlich bewahrheitet?

Wie Mark Twain witzelte: „Ich bin ein alter Mann und habe viele Probleme erlebt, aber die meisten davon sind nie passiert.“ Und selbst die, die eingetreten sind … offensichtlich hat die Sorge vor ihnen nicht geholfen sie zu stoppen, oder?

Seneca hat es schön formuliert: „Wir sind öfter verängstigt als verletzt; und wir leiden mehr unter der Vorstellung als unter der Realität.“ „Ich rate dir also“, fuhr Seneca fort, „sei nicht unglücklich, bevor die Krise kommt … Wir haben die Angewohnheit, Trauer zu übertreiben, sie uns vorzustellen oder vorwegzunehmen.“

Erwarte kein Leid. Lass nicht zu, dass Angst und Sorgen dir das Beste wegnehmen. Lass deine Sorgen nicht außer Verhältnis zu dem wachsen, was tatsächlich passieren könnte. Lass die Fantasie nicht die Realität überholen.

4. Stoiker behandeln Erfolg und Versagen gleich

Marcus Aurelius hatte eine interessante Metapher. Er glaubte, dass ein Mann, ein Kaiser, ein Soldat – wirklich jeder – wie ein Stein sei. Wird der Stein in die Luft geworfen, verliert er nichts, wenn er herunterkommt, und gewinnt nichts, wenn er aufsteigt. Der Stein bleibt ein Stein.

Und genauso bist du auch. Egal ob dein Tag mit einer Beförderung beginnt oder mit einer Entlassung endet, du bist immer der gleiche Mensch. Ob du im Lotto gewinnst oder Insolvenz anmeldest. Egal ob du vor einer Menschenmenge von Tausenden sprichst oder Probleme hast jemanden zurückzurufen.

Du solltest immer derselbe sein. Erfolg oder Misserfolg, Höhen und Tiefen, sie verändern dich nicht. Sie sind außerhalb deiner Persönlichkeit. Du bleibst die gleiche Person.

5. Schließe jeden Tag nur eine Sache ab

Seneca schrieb viele Briefe an seinen Freund Lucilius. Wir wissen nicht viel über Lucilius, nur dass er aus Pompeji stammte, ein römischer Ritter war, kaiserlicher Prokurator in Sizilien, später Gouverneur der Provinz. Zudem besaß er eine Landvilla in Ardea. Trotz all seines Erfolgs hat er mit vielen Dingen zu kämpfen, mit denen wir alle zu kämpfen haben: Angst. Ablenkung. Furcht. Verlockung. Selbstdisziplin.

Es ist also gut, dass er einen Freund wie Seneca hatte, jemanden der sich um ihn kümmerte, ihm die Wahrheit sagte und ihm Ratschläge gab. Einer der besten Ratschläge von Seneca war eigentlich ziemlich einfach. „Jeden Tag“, sagte er zu Lucilius, „solltest du eine Sache erledigen, die dich gegen Armut, gegen den Tod, ja auch gegen anderes Unglück stärkt.“ Nur eine Sache pro Tag. Das ist es.

Damit kannst du deine Tendenzen zum Aufschieben ganz gut eindämmen: es erinnert dich daran, dass schrittweise, konsequente, bescheidene, beharrliche Arbeit der Weg zur Verbesserung ist. Dein Geschäft, dein Buch, deine Karriere, dein Körper – es spielt keine Rolle – du baust sie Tag für Tag mit einem Schritt auf.

Arnold Schwarzenegger ist Filmemacher, Unternehmer, Autor, ehemaliger Gouverneur, professioneller Bodybuilder und Vater von fünf Kindern. Er ist auch ein Fan der Stoiker und sagte in einem Video zu Menschen, die während der Pandemie stark und bei Verstand bleiben wollten: „Solange Sie jeden Tag auch nur eine Sache tun, ist das ausreichend“. Eine Sache pro Tag summiert sich. Ein Schritt nach dem anderen genügt. Du musst nur einen kleinen Gewinn erzielen. Und je früher du beginnst, desto besser wirst du dich fühlen…und sein.

6. Triff gute Entscheidungen

Epiktet sagte, dass die Wurzel der Schönheit schöne Entscheidungen sind.

Er sprach weniger von körperlicher Schönheit wie du dir bestimmt schon gedacht hast, als von „schönem“ menschlichen Verhalten.

Eine atemberaubende Frau, deren Aussehen das Ergebnis ihrer Eitelkeit und Selbstbesessenheit ist, ist für viele Menschen trotzdem unattraktiv. Ein Mann mit strammen Muskeln, die durch Steroide erworben wurden, inklusive einer Vernachlässigung aller anderen Belange, ist nicht wirklich beeindruckend.

Schönheit ist nicht von den Absichten und Entscheidungen zu trennen, die sie erschaffen haben.

Wenn du also besser aussehen willst solltest du dir erstmal einen guten Ausgangspunkt schaffen – prüfe deine Entscheidungen, Motivationen und Absichten. Sind sie ehrlich oder aus Gründen von Mangeldenken, Eitelkeit und Neid entstanden?

Wo bekommst du mehr von den Stoikern?

Willst du mehr von den Stoikern für dein Leben? Dann schau doch einfach mal auf die Website von Ryan Holiday! Dort findest du eine riesige Sammlung über viele Themenbereiche des Stoizismus.

Nächste Woche schauen wir uns die fehlenden sechs Regeln an. Ich hoffe du kannst bis hierhin bereits etwas für dich mitnehmen und das eine oder andere in deinen Alltag integrieren.

Bis zum nächsten Mal!

Dein Niklas